Zum Aufwendungsersatzanspruch bei Waldbrand durch Funkenflug

BGH, Urteil vom 20.06.1963 – VII ZR 263/61

1. Die eine Feuerwehr unterhaltende Gemeinde kann von der Bundesbahn, deren Lokomotiven durch Funkenflug einen Waldbrand verursacht haben, Ersatz ihrer Löschaufwendungen nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tatbestand
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Im Jahre 1959 entstanden entlang der Bundesbahnstrecke Sch.-G. durch Funkenflug aus vorbeifahrenden Lokomotiven verschiedene Waldbrände, zu denen Bekämpfung ua die freiwillige Feuerwehr der klagenden Gemeinde eingesetzt wurde. Diese hat für die ihr dadurch entstandenen Aufwendungen von der beklagten Bundesbahn Ersatz verlangt.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe
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1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die Vorschriften des hessischen Brandschutzgesetzes nicht geeignet sind, eine Haftung der Beklagten für die Aufwendungen der Klägerin zu begründen. Das ist gemäß § 549, 562 ZPO für das Revisionsgericht maßgebend und unterliegt nicht seiner Prüfung.

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Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, kann die Klage auch nicht auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten gestützt werden. Denn ihre Bediensteten haben keines der in § 823 Abs 1 BGB aufgeführten Rechtsgüter der Klägerin verletzt, und § 823 Abs 2 BGB ist schon deswegen nicht anwendbar, weil die hier in Betracht kommenden §§ 309, 368 StGB keine Schutzgesetze zugunsten der Gemeinden sind, die die Feuerwehren unterhalten.

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Schließlich entfällt auch eine Haftung aus dem § 1 SachschHG, weil diese Bestimmung nur die unmittelbare Beschädigung einer Sache, nicht jedoch die hier in Betracht kommenden mittelbaren Vermögensschäden erfaßt.

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2. Dagegen hält das Oberlandesgericht die Klage aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung für begründet. …

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Eines näheren Eingehens hierauf bedarf es aber nicht. Denn der Klageanspruch findet dem Grunde nach in den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) seine Rechtfertigung, wie im folgenden auszuführen ist.

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3. Das Berufungsgericht verneint allerdings eine solche Forderung. Es führt aus:

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Die Tätigkeit der Feuerwehren habe sich auf den Interessenkreis der Beklagten bezogen und deren Belange gefördert; die Klägerin habe also ein Geschäft der Beklagten geführt. Die Klägerin habe aber nicht bewiesen, daß sie auch den dahingehenden Willen gehabt habe. Mit der Brandbekämpfung habe sie, entsprechend der ihr obliegenden öffentlichrechtlichen Verpflichtung, ihr eigenes Geschäft geführt. Unter diesen Umständen hätte sie dartun müssen, daß sie auch zugunsten des „Brandstifters“ habe tätig werden wollen. Eine solche Annahme liege fern. Es seien zudem keinerlei Tatsachen beigebracht, die auf einen solchen Willen schließen ließen.

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Dem kann nicht gefolgt werden.

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a) Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist zutreffend. Es kommt in der Tat maßgeblich darauf an, ob die Klägerin den Willen gehabt habe, ein fremdes Geschäft mitzubesorgen (vgl BGHZ 38, 270, 276). Die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht einen solchen Willen verneint, sind aber nicht frei von Rechtsirrtum.

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Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß eine Geschäftsführung iS des § 677 BGB auch dann möglich ist, wenn der Handelnde vornehmlich zur Wahrnehmung eigener Belange und nur nebenbei im Interesse eines Anderen tätig wird. Insbesondere hindert der Umstand, daß der Geschäftsführer einer eigenen öffentlichrechtlichen Pflicht nachkommt, nicht die Annahme, daß er damit zugleich das privatrechtliche Geschäft eines Dritten besorgt (BGHZ 16, 12, 16; 30, 162, 167).

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Die Feststellung, ob in Fällen dieser Art der Wille vorhanden ist, auch ein fremdes Geschäft zu führen, kann auf Schwierigkeiten stoßen. Ist er nicht in irgend einer Form nach außen in Erscheinung getreten, so ist er, wie regelmäßig im Rechtsleben, unbeachtlich. Es müssen also stets Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Geschäftsführungswillen äußerlich erkennbar machen.

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Diese Anhaltspunkte können sich aus der Natur des Geschäfts ergeben. Ist es bereits seinem Wesen nach ganz oder wenigstens auch ein objektiv fremdes, so wird jener Geschäftsführungswille zu vermuten, und es wird Sache desjenigen sein, der ihn leugnet, den Gegenbeweis zu führen. Anders liegt es bei äußerlich neutralen Handlungen, die für sch allein keinen Schluß darauf zulassen, ob sie der Ausführende nur für sich oder für einen anderen vornehmen will. Bei ihnen sind der Gefährdungswille und seine Erkennbarkeit von demjenigen darzutun, der sie behauptet (BGHZ 38, 270, 276; Urt v 17. Dezember 1957 – VI ZR 288/56VersR 1958, 168; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 5. Aufl Bd II S 231; BGB-RGRK § 677 Anm 2).

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Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze im allgemeinen zutreffend wiedergegeben. Es hat aber nicht beachtet, daß sie ebenfalls anwendbar sind, wenn das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt. Das ist hier der Fall. Wohl handelte die Feuerwehr in Erfüllung der ihr auferlegten öffentlichrechtlichen Pflichten. Ziel und Zweck ihres Handelns waren und sind aber, wie stets, die Hilfeleistungen für Dritte. Als solche kamen alle in Betracht, die durch die ungehinderte Fortdauer des Feuers und seine Ausbreitung Schaden erleiden konnten. In deren Interesse lag also das Eingreifen der Feuerwehr, und demgemäß wurde auch deren Geschäft mitbesorgt.

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Zu diesem Interessentenkreis gehörte hier neben den Eigentümern die Bundesbahn. Sie haftete den Eigentümern gemäß § 1 SachschHG auch ohne eigenes Verschulden für den Schaden. Deswegen mußte ihr, wie bei objektiver Betrachtung außer Zweifel stand, dringend an dessen Verringerung gelegen sein (vgl hierzu auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearb, § 165 III 2a). Nach dem oben Gesagten ist also zu vermuten, daß die Klägerin auch der Beklagten durch den Einsatz der Feuerwehr helfen wollte und demgemäß den nach § 677 BGB erforderlichen Geschäftsführungswillen gehabt hat.

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Es wäre Sache der Beklagten gewesen. Das Gegenteil zu beweisen. Einen solchen Beweis hat sie nicht angetreten. Er wäre nach den Umständen des Falles auch kaum zu führen gewesen.

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b) Allerdings bedürfen diese Ausführungen noch einer Einschränkung.

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Es gibt Fälle der Geschäftsbesorgung, in denen das Gesetz den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so entfällt ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen gemäß §§ 683, 670 BGB, weil sie der Geschäftsführer eben kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll (Enneccerus/Lehmann aaO § 165 III 2b).

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Vorliegend enthält das hessische Brandschutzgesetz im § 14 eine Bestimmung, die sich mit der Frage befaßt, inwieweit die Feuerwehr von Dritten Ersatz verlangen kann. Sie lautet:

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„Hat der Eigentümer oder Besitzer des vom Brande befallenen Gebäudes den Brand vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, so kann de Gemeinde von ihm Ersatz der ihr durch die Bekämpfung des Brandes entstandenen Kosten verlangen. Im übrigen erfolgt die Brandbekämpfung unentgeltlich“.

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Das Oberlandesgericht legt diese Vorschrift dahin aus, daß ihr letzter Satz über den unentgeltlichen Einsatz nur den Eigentümer oder Besitzer begünstigen soll, der den Brand weder vorsätzlich noch grobfahrlässig verursacht hat, nicht jedoch einen Dritten. Diese Auslegung bindet gemäß §§ 549, 562 ZPO das Revisionsgericht.

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Auch aus der sonstigen Rechtsordnung ergibt sich kein Anhalt dafür, daß die Feuerwehr ihre Tätigkeit zugunsten eines solchen Dritten unentgeltlich zu leisten hat.

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Demnach kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß die klagende Gemeinde im Verhältnis zu ihr, der Beklagten, die Löschaufwendungen allein zu tragen habe.

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